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Die Natur verändert sich seit Jahrmillionen ohnehin ständig, behauptet der niederländische Geologe und Buchautor Salomon Kroonenberg im Interview mit WELT ONLINE. Der Mensch habe deswegen kein Anrecht auf einen konstanten Meeresspiegel. Schäden könne man nur so gut wie eben möglich vorbeugen.
Klimakatastrophe wie in einem Science Fiktion: In "The Day After Tomorrow" bricht eine Flutwelle über New York City herein. WELT ONLINE erklärt den den Klimawandel nachfolgend in Grafiken...
WELT ONLINE: Herr Kroonenberg, Sie haben es mit „Der Lange Zyklus“ in Holland in die Bestsellerlisten geschafft, obwohl oder weil Sie dem Bild einer bevorstehenden Klimakatastrophe widersprechen?
Professor Salomon Kroonenberg: Als Geologieprofessor bin ich es gewöhnt, lange Zeitabschnitte der Erdgeschichte zu überblicken. Gesteine bilden sich über Jahrmillionen. Wenn man sie erforscht, lernt man, wie sich die Erde immerzu neu verwandelt. Diese Perspektive ist bei der aktuellen Klimadiskussion verloren gegangen. Die Erde ist 4,5 Milliarden Jahre alt, und sie hat allerhand durchgemacht. Doch wir betrachten sie wie durch ein winziges Schlüsselloch als statisch und haben Angst davor, dass sie sich verändern könnte. Mit meinem Buch wollte ich den Blickhorizont erweitern. Das wird offenbar von vielen Lesern geschätzt.
WELT ONLINE: Verstehen Sie das als Plädoyer für mehr Gelassenheit in der Klimadiskussion?
Kroonenberg: Im Grunde stellt sich
diese Gelassenheit schon fast automatisch ein, wenn man einige
erdgeschichtliche Fakten kennt. Beim Klima der Erde sind große Trendwenden
die Regel, nicht die Ausnahme. Es gibt einen ständigen Wechsel von Warm- zu
Kaltzeiten. Die Erde erlebte vor etwa 120.000 Jahren – übrigens ohne die
menschliche Nutzung fossiler Brennstoffe – ihre letzte Warmzeit. Der
Meeresspiegel lag damals wegen der abgeschmolzenen Eiskappen um sechs Meter
höher als heute. Vor nur 20.000 Jahren herrschte indes die letzte Eiszeit.
Der Meeresspiegel war 120 Meter niedriger, die Nordsee trockene Steppe. Vor
diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der aktuelle Klimawandel so
schlimm ist, wie er dargestellt wird. Man könnte erwidern: Die Katastrophen,
vor denen wir uns heute ängstigen, haben in der Vergangenheit schon einmal
stattgefunden. Das Schlimmste ist längst vorbei. Also sollten wir auch
weniger Furcht haben und mehr über ingenieurtechnische Lösungen nachdenken,
um uns an die Veränderungen anzupassen.
WELT ONLINE:
Aber was ist mit der Natur, die diese Anpassungsleistung nicht vollbringen
kann?
Kroonenberg: Aus erdgeschichtlicher Perspektive
erkennt man, dass die Natur viel dynamischer ist, als wir es uns heute
vorstellen können. Die saftige Natur und viele Tierarten, wie wir sie heute
in Europa kennen, hatten sich während der letzten Eiszeit südlich der
Pyrenäen gemütlich eingerichtet. Sie kamen erst mit dem Abklingen der
Frostperiode langsam wieder zurück in unsere Breitengrade. In Amerika
breiteten sich nach der Eiszeit Fichten und Eichen mit einer Geschwindigkeit
von etwa 150 Kilometern pro Jahrhundert aus – der Meeresspiegel stieg um
vier Meter pro Jahrhundert. Im 20.Jahrhundert stieg der Meersspiegel um nur
17 Zentimeter, und im 21.Jahrhundert, so schätzen Klimaexperten, könnte es
maximal ein halber Meter werden. Die Menschheit kann Einfluss auf den Gang
der Natur nehmen. Aber sie hat kein Recht auf einen konstanten Meeresspiegel.
WELT ONLINE: Noch bis vor einigen Jahren war es unter Forschern Konsens, dass wir uns auf eine Eiszeit zubewegen. Ist das überholt?
Kroonenberg: In der Tat diskutierte man in den 70er-Jahren noch intensiv über die Folgen einer neuen Eiszeit. Heute dominiert hingegen die Angst vor einer Klimaerwärmung, obwohl die älteren Erklärungsansätze nach wie vor gültig sind. Natürlich gibt es neue Erkenntnisse in der Klimaforschung. Aber heute werden bedauerlicherweise zumeist sehr unsichere Klimarechenmodelle zum Ausgangspunkt der Diskussionen genommen. Ich gehe dennoch davon aus – und das ist auch die Sicht vieler Kollegen –, dass die Menschheit in ein paar Tausend Jahren in der nächsten Eiszeit stecken wird.
WELT ONLINE: Was macht Sie so sicher?
Kroonenberg: Die Erde hat rund 20 Eiszeiten durchlebt, die, zeitlich gesehen, etwa 90 Prozent der letzten zwei Millionen Jahre Erdgeschichte ausmachen. Nur zehn Prozent dieser irdischen Zeit waren von Warmzeiten geprägt. Dieser ständige Wechsel von niedrigeren zu höheren Temperaturen wird maßgeblich durch astronomische Faktoren verursacht – also den Lauf der Erde um die Sonne. Daraus ergibt sich ein irdischer Klimazyklus, der etwa 100.000 Jahre andauert. Das letzte Klimaoptimum gab es vor etwa 6000 Jahren – den Rest kann man sich ausrechnen. Der nächste Wechsel von der aktuellen Warmzeit zur Eiszeit kommt so sicher wie Tag und Nacht. Schon in 10.000 Jahren könnte die Nordsee wieder trocken sein.
WELT ONLINE: Werden diese Zyklen nicht durch den Menschen ausgehebelt, indem er fossile Brennstoffe verfeuert?
Kroonenberg: Das Klima hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert – es ist offenbar wärmer geworden. Aber es ist wissenschaftlich ungeklärt, welche Rolle das Kohlendioxid hierbei spielt. Es ist denkbar, dass der CO2-Ausstoß zum Temperaturanstieg beiträgt. Aber für Wissenschaftler gibt es noch viele offene Fragen. Wie lässt es sich erklären, dass im Zeitraum 1945 bis 1975 der CO2-Anteil in der Atmosphäre zunahm, während die Durchschnittstemperatur auf der Erde sank? Oder wie passt es, dass seit 1998 keine globale Klimaerwärmung mehr festgestellt wurde? Es gibt Messungen, die zeigen, dass sich bei früheren Temperaturwechseln der atmosphärische Kohlendioxidanteil erst mit einer zeitlichen Verzögerung von 600 bis 800 Jahren veränderte und damit also nicht Auslöser des Klimawandels gewesen sein kann. Es gibt noch sehr viele Unsicherheiten, und wir sollten kein Geld aus dem Fenster werfen.
WELT ONLINE: Machen Energiesparen und CO2-Vermeidung keinen Sinn?
Kroonenberg: Solange unser Verständnis des globalen Klimas so rudimentär ist, sollten wir bescheidener sein beim Propagieren von Handlungsstrategien. Die Erde ist kein einfaches System, das wir nach Belieben steuern können. Die Politik verlangt heute von der Wissenschaft eindeutige Antworten, die diese aber nicht liefern kann. Wir brauchen mehr Zeit, um zu forschen, welche Rolle das CO2 spielt. Darüber hinaus sollten die Energie- und die Klimapolitik voneinander getrennt werden. Energie einsparen ist gut, ganz egal, ob wir damit Einfluss auf das Klima der Erde nehmen oder nicht. Entsprechend sollten wir uns immer darum bemühen, effiziente Energiesysteme zu entwickeln. Die aktuelle Politik zur CO2-Vermeidung hingegen halte ich für bedenklich, weil sie irrtümlicherweise davon ausgeht, die menschliche Nutzung fossiler Brennstoffe sei der alleinige oder entscheidende Faktor für den Klimawandel.
WELT ONLINE: Es kann doch aber sinnvoll sein, vorsorglich aktiv zu werden?
Kroonenberg: Ich erachte es als Fehler, heute Bäume zu pflanzen, weil man CO2 binden will, oder es sogar in den Untergrund zu pumpen. Dieses Verfahren ist extrem aufwendig, und es gibt keine Erfolgsgarantie. Stattdessen sollten wir lieber Szenarien des aktuellen Klimawandels in Ruhe diskutieren und überlegen, wie wir vorausschauend agieren können. Auf diesem Weg käme man vielleicht eher auf die Idee, Deiche gegen steigende Meeresspiegel zu bauen – vor allem in Entwicklungsländern, wo hierfür die Mittel fehlen. Als Wissenschaftler möchte ich es jedenfalls nicht verantworten, den Menschen in Bangladesch zu sagen: „Macht euch keine Sorgen, wir pumpen jetzt CO2 in die Erde, euch wird schon nichts passieren.“
WELT ONLINE: Es gibt den Bewusstseinswandel, dass uns die fossilen Brennstoffe ausgehen. Ist die Klimaaufregung da nicht legitim?
Kroonenberg: Eine solche Herangehensweise wäre unehrlich und undemokratisch, weil vernunftbasierte Entscheidungsfindungen nicht mehr funktionieren. Wer heute die Klimaangst instrumentalisiert, um von den fossilen Brennstoffen wegzukommen, der betreibt überdies Missbrauch an den Naturwissenschaften.
WELT ONLINE: Warum hält die Politik dennoch so hartnäckig an der CO2-Reduktion fest?
Kroonenberg: Politiker müssen tagtäglich mit wirtschaftlichen Unsicherheiten leben. Ich meine, sie wären gut beraten, zu offenen Fragen wie dem Klimawandel auch wissenschaftliche Unsicherheiten zu akzeptieren. Für die Hartnäckigkeit der Diskussion sind wohl vor allem politische Faktoren verantwortlich. Zu bedenken ist, dass der Klimaschutz institutionalisiert wurde und eine große Bürokratie dafür sorgt, dass sie selbst und das Thema CO2-Reduktion nicht in Vergessenheit geraten. Und spätestens seit sich die EU dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben hat, ist es auch zu einem großen Geschäft geworden. Es locken überall Steuermillionen, um für den Klimaschutz investiert zu werden.
Die Fragen stellte Thomas Deichmann
Salomon Kroonenberg ist Professor für Geologie an der TU Delft (Niederlande). Sein aktuelles Forschungsinteresse gilt den Wirkungen von Meeresspiegeländerungen auf die Ablagerung von Sedimenten.
Soeben ist sein Buch erschienen: Der lange Zyklus. Die Erde in 10.000 Jahren. Primus, Darmstadt, 256 Seiten, 24,90 Euro.
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